Rund 60 Menschen waren dem Aufruf zur Gründung eines Bündnisses „bunt statt braun Bad Hersfeld-Rotenburg“ gefolgt und sind am 12. Mai im Bad Hersfelder Buchcafe erschienen. Der gebürtige Bad Hersfelder Carsten Burkhard ist Bundesvorstandsmitglied der IG Bauen – Agrar – Umwelt und stimmte mit nachfolgend veröffentlichten Impulsvortrag ein:

 

„Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit  – Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.“ Dieses Zitat von Esther Bejarano begleitet mich schon fast ein ganzes Leben lang!
Ich persönlich bin weit davon entfernt ALLES zu wissen. Ich will mich aber nicht schuldig machen.
Schuldig machen am Vergessen, verdrängen oder gar anderen Menschen eine Chance geben die Gräueltaten, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu verleugnen oder zu verharmlosen.

Seit meiner frühesten Jugend engagiere ich mich gewerkschaftlich, beschäftige mich mit und vor allem gegen Rechtsextremismus & Fremdenfeindlichkeit.

· DGB Jugend Hersfeld-Eschwege, SJR, Jugendhaus,
· Asylbewerberheim – Menschenkette, Friedloser Straße
· Republikaner im Kreistag und die NPD im Stadtparlament
Dank eines großartigen Projektes der Fachhochschule Fulda durfte ich auch im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald aktiv mitwirken– gegen das Vergessen – zu arbeiten.
Und dank eines Projektes der DGB-Jugend und des hessischen Jugendringes konnte ich 1995 im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz mit 600 Zeitzeugen eine Woche intensiv leben und diskutieren.
Diese Gespräche und diese Arbeit haben mein Leben sehr geprägt.
Man muss die Vergangenheit kennen, die Gegenwart verstehen, um die Zukunft zu gestalten. Ein Satz meiner Ziehväter, der in diesen Tagen, Wochen und Monaten noch mehr für mich an Bedeutung gewonnen hat.

Am 8. Mai 2015 feierten wir die 70 Jahre Befreiung vom deutschen Faschismus.
70 Jahre ist es her, dass der deutsche Faschismus nach dem von ihm angefangenem Weltkrieg endlich niedergerungen wurde.
Die beispiellose Verfolgung und Ermordung von sechs Millionen Juden und die insgesamt über 60 Millionen Toten des Weltkrieges sind das grausame Erbe, das uns die Nazis hinterlassen haben.
Wir können und dürfen dieses dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte nicht vergessen!
Denken wir auch daran, dass viele deutsche Juden, Sinti und Roma, Antifaschisten und Gewerkschafter, Linke und Demokraten vor Hitler fliehen mussten, um ihr nacktes Leben zu retten.
Diese Flüchtlinge wurden von anderen Völkern aufgenommen.
Ohne ihr Überleben im Exil hätten wir nach 1945 hier nicht viele Demokraten gehabt.
Vielleicht wären die Faschisten dann auch später wieder ans Ruder gekommen.
Dies muss man immer wieder sagen, wenn es um das Thema Asyl und Flüchtlingspolitik geht.
 Es ist richtig: Hunderttausende Flüchtlinge vor Krieg und Verfolgung stellen die Kommunen und Kreise vor Herausforderungen.
Aber was sind diese Probleme gegenüber dem, was die meisten dieser Flüchtlinge, zum Beispiel aus Syrien, Libyen und Irak gerade alles durchgemacht haben und was sie verloren haben?
Die Flüchtlinge sind froh und dankbar, endlich in Sicherheit zu sein. Aber getötete Verwandte und ein verlorenes Lebensglück ersetzt ihnen selbst die bestmögliche Betreuung und Unterbringung nicht. Wir alle sollten etwas dafür tun, dass sich Flüchtlinge hier in der Zeit ihres Exils so heimisch wie möglich fühlen können.
Viele Menschen tun genau das. Sie helfen einfach so.
Das ist gut so und ich würde mir wünschen, auch die Politik würde mit diesem Thema erst einmal so umgehen. Aber nein, hier diskutiert man lieber über Belastungen, Integrationsprobleme und Fundamentalismusgefahr.
Ich rufe die Politik auf: Stoppt endlich diese Diskussion! Schafft endlich ein Klima, in dem Fremde zu Freunden werden können. Schafft ein Klima, in dem Fremde nicht mehr automatisch verdächtigt werden kriminell, Schmarotzer oder Terrorist zu sein.
Stoppt die Diskussion Flüchtlinge als Kostenfaktoren und Bedrohung darzustellen – das schafft doch nur  Nährboden für die Pegidas!
Und diesen Nährboden wollen und brauchen wir nicht!
Und diese Pegida-Bewegung, wie sie genannt wird... Es ist für mich schier unerträglich was seit Oktober 2014 Pegida und ihre Ableger regelmäßig in Dresden und an anderen Orten Deutschlands auf ihren Demonstrationen von sich geben. Die Menschen, die an den Pegida Demonstrationen teilnehmen, müssen sich die Frage gefallen lassen oder besser sich selbst die Frage stellen, hinter wem sie eigentlich herlaufen. Bürgerinnen und Bürger tragen Verantwortung dafür, zu wem und zu was sie sich bekennen. Sie tragen die Verantwortung wen sie mit ihrer Anwesenheit bei Kundgebungen unterstützen. Es ist erschreckend, wie viele Menschen 70 Jahre nach Befreiung von der Nazi-Diktatur sich nicht einmal mehr schämen, stadtbekannten Nazis auf der Straße die Hand zu schütteln.
Mit Gruppen, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Minderheiten predigen, Seit‘ an Seit‘ zu demonstrieren.
70 Jahre nach Befreiung vom Faschismus, droht in Deutschland Rassismus wieder salonfähig zu werden.
Parallel dazu nimmt hierzulande stetig die Zahl an rassistisch motivierten Gewaltdelikten zu. Wieder brennen in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte, wieder werden Politiker, Journalisten und Gewerkschafter mit dem Tode bedroht, wieder gehen Massen auf die Straßen und demonstrieren gegen das für sie „Fremde“ und schreien dann auch noch lauthals „Wir sind das Volk!“
Ich sage klar: Ihr seid nicht DAS Volk! Ihr, die gegen Flüchtlinge, AsylbewerberInnen, gegen das Euch Fremde demonstriert – ihr, ihr seid eine Schande für unser Land! Die Politik und unsere Gesellschaft insgesamt rufe ich auf: Nehmt endlich den rechten Terrorismus und dessen Netzwerke ernst. Es ist beängstigend, aber wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen.
Wir brauchen wieder verstärkt eine Kultur des Hinsehens und des Handelns. Mit einem peinlich berührten Blick zur Seite oder nach unten ist niemandem geholfen. Wenn Menschen heute mit anderen Wurzeln, anderer sexuellen Orientierung, anderer Religion oder anderer Hautfarbe bedroht oder gequält werden, muss es selbstverständlich sein, dagegen aufzustehen.
Menschen, die andere Menschen, egal aus welchem Grund ausgrenzen, diskriminieren, bedrohen oder sogar angreifen, handeln gegen unsere Werte und Überzeugungen.
Rechtsextreme dürfen in dieser Gesellschaft nie wieder das Sagen haben. Lasst uns gemeinsam mit gewaltfreien Mitteln,
nämlich mit Bildung, Aufklärung und Demonstrationen vehement gegen ihre widerwärtige Gesinnung vorgehen.
Wir als Gewerkschaften werden mit vielen Bündnispartnern weiter für Mitmenschlichkeit und Solidarität kämpfen – denn für uns gilt:
Faschismus ist keine Meinung – Faschismus ist ein Verbrechen!
Ich wünsche der Arbeit des Bündnisses „bunt statt braun“ für seine Arbeit in Hersfeld Rotenburg viel Kraft, gute Ideen, viele Freunde und Mitstreiterinnen.